18.02. 15:46

FEATURE-Geostratege und Vielflieger - Gabriel kämpft um sein Amt

- von Andreas Rinke

München (Reuters) - "Nicht so laut", murmelt Sigmar Gabriel, als der Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft die Hoffnung äußert, der SPD-Politiker möge doch Außenminister bleiben.

Denn Gabriel weiß am Samstagmorgen im Fürstensalon des Bayerischen Hofes in München ganz genau, dass Wolfgang Büchele ein heikles Thema anspricht. Auf der anderen Seite des Tisches grinst der seit Jahren amtierende russische Außenminister Sergej Lawrow nur - vor allem als Gabriel hinterher schiebt: "Er ist 13 Jahre, bald 14 Jahre im Amt. Ich bin nicht sicher, dass ich 14 Monate schaffe."

Die Sicherheitskonferenz in München wird zur Bühne, auf der Gabriel trickreich um sein Amt kämpft, wie schon am Vortag ein hoher Diplomat eines EU-Landes raunte. Am Freitag war das sogenannte Normandie-Treffen zur Ostukraine auch deshalb ausgefallen, weil Gastgeber Gabriel kurzerhand von München für ein paar Stunden nach Berlin entschwand. Dort trat er auf einer Pressekonferenz des Springer-Konzerns zur Freilassung des Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft auf. Am Abend traf Gabriel in München dann schon wieder seinen türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu im Bayerischen Hof.

Gabriel wirkte noch umtriebiger als sonst. Er reihte ein bilaterales Gespräch an das andere und fand noch Zeit, beim deutsch-russischen Wirtschaftsfrühstück von der in der SPD unpopulären Sanktionspolitik gegen Russland abzurücken.

Der SPD-Politiker aus Goslar hat wenig Zweifel daran gelassen, dass er sehr gerne Außenminister bleiben würde. Deshalb hält er am Samstagmorgen eine Rede, nach der auf den Fluren des Bayerischen Hofes gerätselt wird, ob das nun eine Bewerbungs- oder eine Abschiedsrede, Programm oder Vermächtnis war. Jedenfalls spannt Gabriel den ganz großen Bogen, vom 15. Jahrhundert und der europäischen Entdeckung bis zur heutigen chinesischen Offensive. Nur ist im Wirren der SPD immer unsicherer geworden, ob er überhaupt noch eine Chance hat. "Ich glaube, dafür ist der Widerstand in der Partei zu groß", hatte etwa Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf die Frage gesagt, ob Gabriel bleiben könne.

Viele aus der SPD-Führungsriege hatten dem Niedersachsen schon im Wahlkampf mangelnde Loyalität mit dem dann gescheiterten Spitzenkandidaten Martin Schulz vorgeworfen. Und die Parteiführung will vor dem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag keine Personaldebatte. "Es ist jetzt nicht die Zeit, dass einzelne eine Kampagne für sich selbst starten", kritisierte etwa SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles im "Spiegel". Die Mitglieder der SPD hätten "die Faxen dicke" von ewigen Personaldebatten.

DICKES LOB AUCH VON MERKEL

So einfach wird Gabriel aber nicht den Posten aufgeben, zumal einiges für ihn spricht. Laut einer Umfrage von Infratest dimap für die ARD wollen 54 Prozent der Bundesbürger und SPD-Anhänger, dass Gabriel im Amt bleiben soll. Sowohl Diplomaten als auch SPD-Politiker räumen ein, dass eine zwingende Alternative für die Besetzung des von der SPD in den Koalitionsverhandlungen behaupteten Außenministeriums nicht in Sicht sei. Gabriel dagegen genießt auf der Bühne in München sichtlich die Auseinandersetzung über geopolitische Fragen.

Die Freilassung des "Welt"-Journalisten Yücel könnte ihm im politischen Überlebenskampf in die Hände spielen. Zwar kam die Freilassung einen Tag nach dem Treffen des türkischen Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aber die CDU-Chefin bedachte Gabriel mit demonstrativem Lob: "Deshalb schließe ich in diesen Dank auch ganz besonders die Bemühungen des Außenministeriums und des Außenministers mit ein", sagt sie. Dass Merkel gut mit ihrem bisherigen Außenminister zusammenarbeitet, hatte sie schon früher betont.

Wohl auch aus Verärgerung über die Volten in der SPD hatte Gabriel seine Teilnahme an der Sicherheitskonferenz zunächst ab- und wenige Tage später wieder zugesagt. In München stahl er dann vielen hochrangigen Gästen die Show. Denn seine Zukunft war auch nach seiner Rede eines der Top-Themen auf den Gängen. Selbst viele der angereisten Außenminister fragten immer wieder: "Bleibt er nun Außenminister?"