12.11. 10:02

ROUNDUP 2/Knall in Brandenburg: Wie es mit der Koalition weitergeht


(Neu: 8., 9. und 10. Absatz mit Erklärung von BSW-Landeschefin und Wagenknecht)

POTSDAM (dpa-AFX) - Die Zukunft der bundesweit einzigen SPD/BSW-Koalition in Brandenburg ist nach dem Parteiaustritt von vier BSW-Abgeordneten unklar. Die SPD will Gespräche mit dem Koalitionspartner im Landtag führen. An einer für heute geplanten Vorentscheidung über zwei strittige Medienstaatsverträge will die SPD festhalten. "Wir werden dann das weitere Vorgehen besprechen", teilte SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann mit.

Innerhalb des BSW war es zum Umgang mit den Verträgen zum Streit gekommen. Am Dienstagabend verkündeten vier Partei- und Fraktionsmitglieder - Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, André von Ossowski und Reinhard Simon - in einer Erklärung ihren Parteiaustritt.

Im Hauptausschuss wollen die Fraktionen über zwei Medienstaatsverträge zur Rundfunkreform von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie mehr Jugendmedienschutz beraten. Sie stehen in der kommenden Woche im Landtag zur Abstimmung.

SPD-Fraktionschef: Dynamik nicht zu bewerten

In der Erklärung begründen die vier Abgeordneten den Parteiaustritt damit, dass radikalisierte Positionen im BSW dominierten. Sie wollten aber in der Fraktion bleiben. Nach dpa-Informationen wollen sie parteilos bleiben.

Die Koalition aus SPD und BSW besteht seit knapp einem Jahr und war die einzige Mehrheitsoption, wenn die AfD nicht mitregieren soll. Wie es jetzt mit der Koalition weitergeht, ist offen. Praktisch gibt es nun quasi drei Partner: SPD, BSW und die vier aus dem BSW ausgetretenen Abgeordneten. "Die Dynamik innerhalb der BSW-Fraktion ist überraschend und zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend zu bewerten", sagte Lüttmann.

Streit auch innerhalb des BSW

Die BSW-Fraktion hatte mehrheitlich angekündigt, gegen die Medienstaatsverträge zu stimmen. Damit hätte die Koalition keine eigene Mehrheit. Die BSW-Fraktion fordert eine weitgehendere Reform und befürchtet bei den Plänen zum Jugendmedienschutz übermäßige staatliche Eingriffe. Die SPD verlangte zunächst eine gemeinsame Zustimmung in der Koalition.

Der Streit schwelt auch innerhalb des BSW. Finanzminister Robert Crumbach (BSW) tritt für die Reformen ein. Der Partei-Bundesvorstand lehnte sie Anfang November ab. Zuletzt stellten vier Abgeordnete einen Misstrauensantrag gegen den Fraktionsvorstand um den Vorsitzenden Niels-Olaf Lüders.

Wagenknecht findet Austritte "wirklich problematisch"

Kritik für die Austritte gab es auch von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. Die vier Personen hätten im Wissen um die Positionen der Partei kandidiert und den Menschen versprochen, diese Positionen mit zu vertreten, sagte Wagenknecht am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Maischberger". "Ich finde es wirklich problematisch, wenn einzelne Abgeordnete hier in einer wichtigen Position - und unsere Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine wichtige Position - meinen, das müssten sie einfach anders machen, weil sie es vielleicht besser wissen", sagte Wagenknecht.

"Ende der Koalition stand nie zur Debatte"

Die BSW-Landesvorsitzende will nun mit allen Beteiligten ins Gespräch gehen. "Ein Ende der Koalition stand nie zur Debatte, denn es gab im Koalitionsvertrag keine Festlegungen zu diesem Thema", sagte Friederike Benda laut einer Erklärung vom Dienstagabend. Sich für die BSW-Position einzusetzen, sei "nicht immer der einfachere Weg".

"Unsere Partei und unsere Wähler erwarten zu Recht, dass wir - in Regierung oder Opposition - nicht einknicken", so Benda. "Wir etablieren uns durch Glaubwürdigkeit, nicht durch Anpassung."

Gespaltenes Votum im BSW

Für den Hauptausschuss am Mittwoch - eine Vorabstimmung - wurde erwartet, dass Crumbach mit Ja stimmt, BSW-Fraktionschef Lüders mit Nein. Bei der Entscheidung im Landtag will die BSW-Fraktion laut Lüders am 19./20. November mehrheitlich mit Nein stimmen. Die CDU-Opposition sichert voraussichtlich die Mehrheit, damit die Verträge bundesweit nicht scheitern.

Erstmal ist die Koalition noch im Amt. Vor der Ankündigung des Parteiaustritts der vier BSW-Abgeordneten erklärte die SPD-Fraktion, trotz des mehrheitlichen Neins des BSW an der Koalition festhalten zu wollen./vr/maa/DP/mis