25.06. 07:17

CDU grenzt sich immer stärker gegen AfD ab - Streit im Osten

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Seit dem mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke kochen bei der CDU die Emotionen hoch.

Zwar hielt sich CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Rücksicht auf zunächst unklare Ermittlungsergebnisse der Behörden lange zurück. Aber am Sonntagabend platzte es aus ihr heraus: Kramp-Karrenbauer machte die AfD indirekt mitverantwortlich für das Klima des Hasses, der den Weg für politische Morde bereite. Am Montag beschloss die CDU-Spitze dann ein Papier, das klipp und klar jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt - und in dem bei Zuwiderhandlung indirekt Konsequenzen bis zum Parteiausschluss angedroht werden.

Dass die Emotionen derart hoch kochen, liegt nicht nur daran, dass viele in der CDU-Spitze mit Lübcke bekannt oder gar befreundet waren. Es ist auch der ärger über vor allem regionale CDU-Politiker im Osten, die das bestehende Kooperationsverbot mit der AfD immer wieder infrage stellen. "Diese Ost-West-Spaltung ist ein Riesenproblem für die CDU", meint ein Präsidiumsmitglied. Vergangene Woche sorgten etwa die beiden Fraktionsvize im sachsen-anhaltischen Landtag, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, mit einer Denkschrift für Aufregung, in der nicht nur eine spätere AfD-Zusammenarbeit, sondern auch die Versöhnung von "Nationalem" und "Sozialem" gefordert wurde.

Die CDU war so aufgeschreckt, dass der geschäftsführende Landesvorstand in Sachsen-Anhalt sofort eine Sitzung einberief und eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschloss. Aber die Nervosität verschwand nicht. Denn auch Politiker vom national-konservativen Flügel der Werteunion wie der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen deuten immer wieder an, sie könnten sich eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen. Sowohl Kramp-Karrenbauer, die westlichen CDU-Ministerpräsidenten als auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sind aber überzeugt davon, dass solche Äußerungen eine Achillesferse der CDU in Wahlkämpfen sind. Denn immer wieder nutzen SPD, Grüne und FDP die Chance, nach jeder Äußerung eine erneute Distanzierung der CDU von der AfD zu fordern - um den Zweifel schüren, dass die Christdemokraten im Osten nicht doch irgendwann umkippen.

SORGE UM MEHRHEITSBILDUNG IM OSTEN

Dass dieser Zweifel auf fruchtbaren Boden stößt, liegt zum einen an der Stärke der AfD, aber auch der Linkspartei im Osten. Unklar ist daher, wie nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 1. September und in Thüringen am 27. Oktober eine Koalition im moderaten Parteienspektrum gebildet werden kann. Bei der Europawahl wurde die AfD in Sachsen und in Brandenburg stärkste Partei. Der brandenburgische CDU-Vorsitzende Ingo Senftleben hatte deshalb schon vor Monaten zumindest Gespräche mit der Linkspartei und der AfD nicht ausgeschlossen - allerdings mit einem entscheidenden Unterschied gegenüber Maaßen: Die CDU solle zwar nach den Wahlen mit Allen sprechen - mit der AfD aber ausdrücklich nicht über eine Regierungsbildung. "Mit der AfD gibt es sowohl personell als auch inhaltlich so deutliche Unterschiede, dass ich mir nicht vorstellen kann, wo da Gemeinsamkeiten mit der CDU liegen sollten", sagte Senftleben am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Die AfD etwa in Brandenburg fahre einen klaren Rechtsaußen-Kurs.

INNERPARTEILICHE SPANNUNGEN IN CDU

Zweiter Grund für die wabernde Debatte sind gravierende grundsätzliche Differenzen etlicher CDU-Politiker gerade im Osten mit dem Kurs der Bundespartei. Nach der Flüchtlingskrise 2015 pochten vor allem die CSU und die Konservativen in der Union auf einen Rechtsruck. Die letzten Wahlen zeigten aber, dass die Union vor allem im Westen mindestens so viele Wähler auch an die Grünen verliert. Sogar in Bundesumfragen liegt die Öko-Partei heute oft an erster Stelle. Kramp-Karrenbauer hat deshalb in einem "Zeit"-Gastbeitrag gerade eine umweltpolitische Aufbruchstimmung in der CDU gefordert. Auch die CSU hat mittlerweile ihren Kurs korrigiert - CSU-Chef Markus Söder sorgte am Wochenende im Osten für Empörung, weil er plötzlich den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen will.

Dabei ziehen Umweltthemen bei CDU-Anhängern im Osten weniger, auch die Grünen sind dort erheblich schwächer. Nach Meinung der Demoskopen profitiert die AfD im Osten sogar von deren sehr kritischem Kurs gegenüber den klimapolitischen Festlegungen von Union, SPD und Grünen. Das gilt vor allem für die Braunkohlereviere etwa in Sachsen, wo der Kohleausstieg nicht als Notwendigkeit, sondern als Bedrohung wahrgenommen wird. Die Ost-Vertreter im CDU-Bundesvorstand hatten am Montag deshalb Bedenken, dass eine zu harte Sprache gegen die AfD der CDU schade. Durchsetzen konnten sie sich nicht.

Stattdessen will Kramp-Karrenbauer bei der Abgrenzung auch schwere moralische Geschütze auffahren. Nach der Ermordung Lübckes müsse sich jedes CDU-Mitglied, das von AfD-Kooperation rede, fragen lassen, "wie er das mit seinem Gewissen vereinbaren kann", sagte Kramp-Karrenbauer. "Ich könnte es nicht." Am 16. Juli will Kramp-Karrenbauer mit den Kreisvorsitzenden der CDU Sachsen über den weiteren Kurs diskutieren.