Portfoliocheck: Bei Amazon kommt nicht nur Steve Mandel in Kauflaune
Steve Mandel zählt zu den erfolgreichsten Hedgefondsmanagern unserer Zeit. Nach seinem M.B.A. an der Eliteuniversität Harvard stieß er im Alter von 28 Jahren als Analyst zu Goldman Sachs. Doch seine wohl beste Entscheidung traf Steve Mandel 1990, als er beim damals revolutionären Hedgefonds Tiger Management und dessen Gründer Julian Robertson anheuerte, der mit einem durchschnittlichen ROI von über 30 % zu den erfolgreichsten Fondsmanagern des letzten Jahrhunderts gehörte.
Robertson war aber nicht nur ein großartiger Investor, sondern ein mindestens ebenso guter Lehrer. Zu seinen Schülern gehören neben Steve Mandel 50 der erfolgreichsten Fonds Manager der Welt, die sogenannten „Tiger Cups“, die Tigerwelpen. Unter Robertsons schützenden Händen entwickelte sich der damals 34-jährige Mandel zu einem sehr erfolgreichen Investor und nach sieben lehrreichen Jahren wagte er 1997 den Schritt in die Selbständigkeit: er gründete den unter seiner Regie stehenden Hedgefonds Lone Pine Capital LLC, den er nach einem Baum an seiner Alma Mater Dartmouth College benannte, der einen Blitzeinschlag überlebt hatte.
Mandel legte seinen Fokus auf Wachstumsunternehmen und erzielte über viele Jahre hinweg eine durchschnittliche Rendite von über 20 % pro Jahr. 2019 schied er aus dem aktiven Management aus und fungiert seitdem als Managing Director des Unternehmens. Mit dem Börseneinbruch Ende 2021 und dem Ausverkauf im Technologiesektor dank der stark gestiegenen Notenbankzinsen ging auch Lone Pines Erfolgsserie zu Ende und die aggressive Strategie wurde überdacht. Man setzt zwar weiterhin auf wachstumsstarke Unternehmen, jedoch legt man nun sehr viel mehr Wert auf Profitabilität und Marktdominanz – und diese angepasste Strategie zahlt sich richtig aus.
Top Transaktionen im 3. Quartal 2024
Steve Mandel pflegt einen aktiven und fokussierten Investmentstil; er setzt nur auf die aussichtsreichsten Unternehmen. Seine Turnoverrate lag im letzten Quartal selbst für ihn bei atemberaubenden 23 %. Unter den nun 29 Werten in seinem Portfolio finden sich gleich neun Neuaufnahmen.
Vollständig veräußert hat Mandel Mastercard, die zuvor 3,7 % seines Portfolios ausmachte. Ebenfalls getrennt hat er sich von Bath & Body Works und McKesson. Zudem hat er seine Positionen bei Microsoft, Taiwan Semiconductor, ASML, KKR, UnitedHealth, Spotify, Philip Morris, Booking Holdings, GE Vernova und Vistra Corp reduziert.
Ganz neu eingestiegen ist Mandel bei Salesforce.com, Starbucks, Lennar, Bitdeer Technologies, Hut 8 Corp, Iris Energy, Talen Energy, TeraWulf und WorkDay – hier war er nach mehreren Teilverkäufen im Vorquartal komplett ausgestiegen.
Aufgestockt hat er seine Positionen bei Meta Platforms, Amazon, Constellation Energy, Intuit, LPL Financial Services und Ares Management, wo er erst im Vorquartal neu eingestiegen war. Bei den Alternativen Asset Managern scheint er die besonders gut gelaufenen KKR gegen die etwas weniger stark performende Ares Management zu tauschen.
Top Positionen am Ende des 3. Quartals 2024
Der Wert von Lone Pines Portfolio legte in diesem Quartal von 12,3 auf 13,4 Mrd. USD zu. Technologiewerte dominieren weiterhin mit einem Anteil von 35,8 %, doch das sind erneut etwas weniger als die vorherigen 37,6 %. Dahinter haben sich wieder die zyklischen Konsumwerte mit 17,1 % auf den zweiten Platz vorgeschoben und liegen nun vor Versorgern mit 14 %, Komminkationsdiensten mit 12,8 % und Finanzunternehmen mit 10,8 %, die damit knapp 4 % Gewichtung eingebüßt haben. Es folgen defensive Konsumwerte mit 4,1 %, der Gesundheitssektor mit 3,6 % sowie Industrieunternehmen mit 2,3 %.
In Mandels stark fokussierten Depot bringen es die drei Top-Positionen zusammen auf rund 22 % auf die Waage. Doch durch die deutliche Reduzierung seiner beiden zuvor größten Positionen Taiwan Semiconductor und Microsoft gehören diese nicht mehr dazu. Vielmehr sorgte das gegenläufige Aufstocken von deren engsten Verfolgern Meta Platforms und Amazon dafür, dass diese beiden Vertreter der „Magnifient Seven“ nun Mandels Portfolio anführen. Dahinter folgt Vistra, die sich vom neunten auf den dritten Rang hochgearbeitet und sich nun vor Taiwan Semiconductor und Microsoft positioniert haben. Diese fünf Werte stellen zusammen rund ein Drittel von Mandels Portfolio.
Neueinsteiger Salesforce.com hat gleich den sechsten Rang erobert und liegt knapp vor der aufgestockten Constellation Energy. Es folgen Finanzinvestor KKR, Spotify und Intuit und seine zehn Top-Werte stehen für mehr als die Hälfte seines Portfolios.
Aktie im Fokus: Amazon.com
Steve Mandels Fokus auf profitabel wachsende Unternehmen mit dominierender Marktstellung führen ihn zwangsläufig zu Amazon.
Das von Jeff Bezos als Onlinebuchhändler gestartete Unternehmen hat sich in den letzten 25 Jahren vom Konzept des Onlineshops zum Plattform-Business weiterentwickelt. Dabei verkaufen Drittanbieter über die Amazon-Plattform ihre Waren und Amazon kassiert dafür Provisionen. Der Vorteil für Amazon ist, dass man hierbei keinen eigenen Warenbestand vorhalten musste und auch kein Ladenhüter-Risiko hatte. Dafür büßte man die Gewinnmarge bei den verkauften Produkten ein. Aber der Schritt hat sich stark ausgezahlt, denn er hob den Skalierungsfaktor auf eine ganz neue Stufe. Amazon wurde operativ profitabel und investierte seine stark steigenden Cashflows umgehend in neue Geschäftsfelder. Zunächst baute man seine eigene Cloudinfrastruktur und öffnete diese dann für externe Kunden – auch hier schuf man eine Art Plattform und ist mit AWS (Amazon Web Services) schon seit Jahren der globale Marktführer. AWS ist seit vielen Jahren die größte Cashcow im Amazon-Universum und damit die stärkste Innenfinanzierungskraft.
Eines der Geschäftsprinzipien von Jeff Bezos ist der unbedingte Fokus auf den Kunden und dessen "Customer Experience". Als Bezos mal wieder in Kundenbeschwerden über die unzuverlässigen Paketdienste erstickte, hatte er genug. Amazon gründete kurzerhand seine eigene Logistiksparte und baute diese mit den enormen Milliardenströmen von AWS innerhalb weniger Jahre zu einem der führenden Logistikkonzerne der Welt aus. Amazon hat heute eine der weltgrößten Frachtflugzeugflotten der Welt und verfügt über mehrere eigene Flughäfen als Logistikdrehscheiben. Man liefert schon längst nicht mehr nur eigene Waren aus, sondern auch die von Drittanbietern auf seiner Plattform und übernimmt sogar die komplette Logistik, für seine Händler. In Deutschland liefert Amazon inzwischen mehr Sendungen aus als Platzhirsch DHL und in den USA ist man hinter USPS längst unangefochtener zweitgrößter Logistikanbieter und zwar meilenweit vor FedEx und UPS. Aber Amazon übernimmt nicht nur den Versand, sondern stellt die gesamte Warenlogistik zur Verfügung. Damit folgte man dem Erfolgsweg, den man mit AWS erstmals beschritten hatte, und öffnete sein internes Angebot für externe Nutzer. Damit konnte Amazon nicht nur seine Logistik besser auslasten, sondern bekam auch mehr Kontrolle über die vielen Zwischenschritte, die zwischen dem Kauf und der Erhalt der Ware beim Kunden liegen. Amazon nahm damit die „Customer Experience“ in die eigenen Hände und band seine Verkäufer noch stärker an sich.
Starke Geschäftszahlen, starke Perspektiven
Inzwischen verfügt Amazon über drei Bereiche, die jeweils mehr als 100 Mrd. USD Jahresumsatz einspielen: das Handelsgeschäft kam in 2024 auf 247 Mrd. USD, das Plattformgeschäft auf 156 Mrd. und Amazon Web Services (AWS) auf 108 Mrd. Doch damit nicht genug, auch Advertising und Prime wachsen zweistellig und erreichten 56 bzw. 44 Mrd. USD Umsatz.
Im 4. Quartal legten die Umsätze um 10 % auf 187,8 Mrd. USD zu, wobei die global führende Cloudsparte AWS im Jahresvergleich um 19 % auf 28,8 Mrd. wuchs, bei einem Betriebsergebnis von 10,6 Mrd. USD; die EBIT-Marge liegt bei sehr starken 37 % und macht AWS zur Cashcow im Amazon-Konzern. 2014 lag deren Umsatz noch bei 1,8 Mrd. USD und ist mit durchschnittlich 37 % pro Jahr gewachsen. Mit einer "annualisierten Runrate" von 118 Mrd. USD erzielt AWS auf Standalone-Basis mehr Umsatz als 486 der S&P 500-Unternehmen.
Im Gesamtjahr 2024 verbuchte Amazon 633 Mrd. USD an Umsätzen. 247 Mrd. davon entfielen auf den Onlinehandel und generierten seit 2014 eine durchschnittliche Wachstumsrate (CAGR) von 13,7 %. Zweitgrößter Brocken sind die Third-Party-Seller mit 156 Mrd. USD Umsatz bei 29,5 % CAGR vor AWS mit 108 Mrd. USD und einer CAGR von 36,9 %. Auf Platz vier folgt Advertising, wo Amazon stark wächst und Google und Facebook immer näher kommt; 2024 verbuchte Amazon hier 56 Mrd. USD Umsatz bei einer CAGR von 34,8 %. Die Subscription Services (Prime) steuern 44 Mrd. USD zum Umsatz bei und wachsen seit 2014 mit einer CAGR von 32 % und das Schlusslicht bilden die physischen Stores mit 21 Mrd. USD und einer CAGR von 20,3 %.
Amazon wächst also weiter stark und das mit zunehmender Profitabilität. So erhöhte sich das operative Ergebnis im 4. Quartal um mehr als 60 % auf 21,2 Mrd. USD und der Nettogewinn verdoppelte sich annähernd auf 20,0 Mrd. USD, während der Gewinn je Aktie im Vergleich zum 4. Quartal 2023 um 86 % auf 1,86 USD hochschnellte.
Der Free Cashflow, also das Geld, das nach allen Investitionen und Kosten für Firmenübernahmen, Aktienrückkäufe und Dividenden übrig bleibt, stieg in den letzten 12 Monaten um 4 % auf 38,2 Mrd. USD. Ein eher schmaler Zuwachs und Amazon hat angekündigt, seine ohnehin enormen Investitionen in KI-Rechenzentren und AWS in 2025 auf 100 Mrd. USD weiter zu steigern. Amazons CEO Andy Jassy hatte dazu im Earnings-Call erklärt, Amazons KI-Geschäft wachse dreimal so schnell wie sein Cloudgeschäft AWS in einem vergleichbaren Entwicklungsstadium. Amazon wird hier also auch nicht auf die Investitionsbremse steigen, sondern weiter das Geld mit beiden Händen ausgeben. Für 2025 sollen erstmals 100 Mrd. USD aufgewendet werden, womit Amazon sogar noch Microsoft, Meta und Alphabet überholt.
Das ist nicht ohne Risiko, weil noch nicht sicher ist, wann und ob sich die hohen KI-Investitionen auch wirklich auszahlen, oder ob sich diese neue Spielwiese nicht doch eher zum Groschengrab entwickeln wird. Doch es gibt auch einen Lichtblick, denn während Amazon aktuell vor allem die extrem teuren Nvidia-KI-Chips nutzt, setzt man künftig auch auf seine eigenen kürzlich eingeführten Chips "Trainium 2". CEO Andy Jassy führte hierzu aus, dass Trainium 2 zusammen mit EC2-Instanzen in der Regel 30 bis 40 % günstiger seien als andere aktuelle GPU-betriebene Instanzen von Nvidia. Mehrere technisch versierte Unternehmen wie Adobe, Databricks, Poolside und Qualcomm hätten in ersten Tests mit Trainium 2 beeindruckende Ergebnisse erzielt. Und wenn Amazon in großem Stil eigenentwickelte KI-Chips verwenden kann, verringert man nicht nur die Kosten enorm, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von Nvidia. Deren extrem hohe Preise für ihre KI-Chips liegen vor allem an der großen Nachfrage und wenn Amazon und andere Großkunden zumindest teilweise auf ihre eigenen Chips setzen können, dürfte sich das auch auf das Preisniveau bei Nvidia auswirken. Hier winken also für Amazon also gleich aus zwei Richtungen erhebliche Einsparpotenziale, ohne auf die Wachstumsbremse treten zu müssen.
Und das bringt uns zurück zum Free Cashflow und der sich hier anbahnenden außergewöhnlichen Chance: Während die KI-Investitionen noch hoch sind und kurzfristig sogar weiter steigen, kann Amazon die Investitionen in anderen Bereichen bereits heute deutlich reduzieren, ohne Einbußen hinnehmen zu müssen. Man reduziert die physischen Stores und hat die großen Anfangsinvestitionen im Bereich Logistik hinter sich. Daher könnten die aktuellen 38,2 Mrd. USD an Free Cashflow in den nächsten zwei bis drei Jahren auf 100 Mrd. USD pro Jahr anwachsen und damit auf die gleiche Ebene auf der sich aktuell Apple oder Alphabet bewegen. Diese beiden Unternehmen kaufen immer mehr eigene Aktien zurück, was sich nicht nur treibend auf den Aktienkurs auswirkt, sondern auch den Gewinn je Aktie pusht. Und das könnte sich bald bei Amazon wiederholen, denn bisher ist Amazon hier eher zurückhaltend.
Steve Mandel ist bereits seit Ende 2017 bei Amazon an Bord. Der verstärkte Fokus des Managements auf Kostendisziplin und betriebliche Effizienz trägt Früchte und in seinen Einzelhandelsaktivitäten befindet sich Amazon trotz seiner führenden Position noch in der Anfangsphase mit einer Marktdurchdringung des riesigen globalen adressierbaren Gesamtmarkts von weniger als 15 %.
Starkes Wachstum bei zunehmender Profitabilität verspricht erheblichen Mehrwert für die Aktionäre und folgerichtig hat Steve Mandel seinen Warenkorb mit noch mehr Amazon-Aktien gefüllt – und auf den Kaufbutton geklickt. Ob er zum Bezahlen eine Amazon-Kreditkarte benutzt und so Prime-Bonuspunkte abgestaubt hat, ist nicht bekannt…
Quelle: Qualitäts-Check TraderFox
Eigene Positionen: Amazon, Ares Management, KKR
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