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Ukraine-Krieg: Welche 34 Aktien aus Europa bei einem Waffenstillstand durchstarten könnten

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Ein möglicher Waffenstillstand im Krieg zwischen Russland und der Ukraine hätte einen großen Überraschungseffekt und könnte für viel Bewegung an den Börsen sorgen. Für Anleger wären damit sowohl Chancen als auch Risiken verbunden. JPMorgan hat die möglichen Szenarien in einer aktuellen Studie analysiert und gibt konkrete Anlageempfehlungen für einzelne Aktien und verschiedene Branchen. TraderFox berichtet.

Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine hat sich nicht nur die politische Ausgangslage drastisch verändert. Vielmehr hat dieser Konflikt auch für die Wirtschaft und die Finanzmärkte erhebliche Folgen nach sich gezogen.

Im Umkehrschluss bedeutet diese Bestandsaufnahme aber auch, dass eine überraschende Wende zum Besseren ebenfalls weitreichende Konsequenzen mit sich bringen dürfte. Das gilt beispielsweise auch bereits im Falle eines etwaigen Waffenstillstands. Noch glaubt daran in Europa zwar nur eine Minderheit, aber die jüngsten Wahlen in den USA haben bei einigen die Hoffnung geweckt, dass ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine in Sicht sein könnte, zumal der neu gewählte Präsident Donald Trump zügig positive Fortschritte versprochen hat.

Energiepreise und wirtschaftliche Folgen des Konflikts

Zur Erinnerung: Der Konflikt hat das globale Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bei Energierohstoffen erheblich gestört, wobei die europäischen Gasimporte besonders betroffen sind. Die außergewöhnlichen Preisspitzen nach dem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 und der Schließung der Jamal-Pipeline am 2. März 2022 wurden im Sommer 2022 durch die Entscheidung Russlands, Zahlungen in Rubel zu verlangen, und die schrittweise Schließung der Nord-Stream-Pipeline noch verstärkt. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2022 stiegen die europäischen Erdgaspreise auf fast 310 Euro/MWh, schreibt JPMorgan in einer aktuellen Studie rückblickend.

Entwicklung des Eurozone-Erdgas-Terminpreises

Quellen: Bloomberg Finance L.P., JPMorgan

Zuvor hatte der Zugang zu günstigem Gas der europäischen Industrie einen Wettbewerbsvorteil verschafft und die durch den Konflikt veränderte Ausgangslage könnte einer der Gründe dafür sein, dass der Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes der Eurozone seit einigen Jahren stagniert, so die zitierte US-Bank.

Natürlich wird der Weg zur Lösung des Konflikts schwierig sein und unweigerlich Rückschläge mit sich bringen, aber jede positive Schlagzeile könnte den Optimismus der Märkte steigern, so die Autoren der diesem Beitrag zugrundeliegenden Studie. Insbesondere die Spekulationen über die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland könnten zu einem deutlichen Rückgang der Gas- und Ölpreise gegenüber dem derzeitigen Niveau führen. In den Jahren 2018 - 2019 wurde europäisches Erdgas mit einem Aufschlag von 100 % auf die US-Preise gehandelt. Dieser Aufschlag ist im Zeitraum 2022/23 erheblich gestiegen, so dass europäisches Gas jetzt etwa 300 % über den US-Gaspreisen gehandelt wird.

Brent-, Erdgas- und Strompreis - aktuelle Werte im Vergleich zum Durchschnitt von 2018/19

Quellen: Bloomberg Finance L.P., JPMorgan

Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union haben erhebliche Sanktionen sowohl gegen Einzelpersonen in Russland als auch gegen den russischen Staat verhängt, die darauf abzielen, die Einnahmen Russlands aus dem Verkauf von Energierohstoffen drastisch zu reduzieren. Die mögliche Aufhebung dieser Sanktionen im Rahmen eines Waffenstillstandsabkommens ist umstritten, würde aber nach Meinung von JPMorgan sowohl die Erdgas- als auch die Erdölpreise unter Druck setzen, wenn es dazu käme.

Herausforderungen rund einen möglichen Waffenstillstand

Das US-Kreditinstitut sieht zwei potenzielle Hindernisse für die Erreichung eines ausgehandelten Waffenstillstands in der Ukraine. Das erste betrifft die künftige Sicherheit der Ukraine, da Russland die Entwaffnung des Landes anstrebt. Vorgeschlagene Lösungen, wie z. B. die Einbeziehung von US-Streitkräften zur Gewährleistung der Souveränität der Ukraine, sind möglicherweise nicht für alle Beteiligten akzeptabel.

Das zweite Thema ist der Wiederaufbau der Ukraine. Viele westliche Politiker haben vorgeschlagen, die vom Westen eingefrorenen russischen Zentralbankguthaben in Höhe von 300 Mrd. USD zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen der Ukraine und des anschließenden Wiederaufbaus zu verwenden. Großbritannien hat sich für die Beschlagnahmung ausgesprochen, während Italien, Deutschland und Frankreich starke Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme geäußert haben und mögliche wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen Russlands befürchten. Außerdem würde eine Beteiligung des Privatsektors am Wiederaufbau solide Sicherheitsgarantien erfordern.

Der Waffenstillstand-Aktienkorb von JPMorgan besteht aus 34 Aktien

JPMorgan hat einen speziellen "Ukraine-Waffenstillstand-Korb" zusammengestellt, der als Maßstab dafür dient, welche Unternehmen in einem solchen Szenario profitieren könnten. Dieser Korb mit insgesamt 34 Aktien umfasst unter anderem Banken, Bauunternehmen und Firmen, die voraussichtlich von niedrigeren Öl- und Gaspreisen profitieren werden.

Die Mitglieder des JPMorgan-Ukraine-Waffenstillstand-Korbs im Überblick


Laut JPMorgan hat dieser Index seit den Tiefstständen im September bereits mehr als 15 % zugelegt – möglicherweise ein Signal dafür, dass sich Investoren auf ein positives Wendepotenzial bei dem Krieg einstellen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, hätte der Korb auch deshalb Potenzial, weil die Durchschnittsbewertung laut JPMorgan moderat und somit attraktiv ist.

Relative Performance des JPMorgan-Ukraine-Waffenstillstand-Korbs zum STOXX 600 Europe Index

Quellen: Bloomberg Finance L.P., JPMorgan

Entwicklung des geschätzten Zwölfmonats-KGV des JPMorgan-Ukraine-Waffenstillstand-Korbs in Relation zum STOXX 600 Europe Index

Quellen: IBES, JPMorgan

Besonderer Fokus auf die Sektoren Energie, Versorger, Rüstung und Chemie

Auf Branchenebene dürfte im Falle eines Waffenstillstandes nach Einschätzung der US-Bank einige ausgewählte Segmente besonders im Fokus des Anlegerinteresses stehen. Dabei rechnet man im Allgemeinen mit den folgenden Reaktionen:

Die Sektoren Energie und Versorger könnten unter Druck geraten, ebenso wie zumindest vorübergehend die Vertreter aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung.

Die Analysten sind der Meinung, dass der Brent-Ölpreis bei positiven Schlagzeilen über Russland und die Ukraine wahrscheinlich nachgeben wird, was einen Kursaufschwung im Energiesektor verhindern könnte. Der jüngste zwischenzeitliche Anstieg bei Energieaktien sei nur aufgrund neuer Sanktionen zu erklären gewesen. Auch von den Versorger-Aktien ist man nach wie vor nicht begeistert, weil die Strompreise künftig speziell bei Fortschritten beim Ukraine-Krieg nachgeben könnten.

Beim Chemiesektor, der sich in den vergangenen drei Jahren als Underperformer entpuppte, erhöht JPMorgan das Anlageurteil von Untergewichten auf Übergewichten. Nachdem die US-Bank drei Jahre lang eine vorsichtige Haltung gegenüber dem Chemiesektor eingenommen hatte, sind die zuständigen Analysten der Meinung, dass man nun wieder optimistischer werden sollte. Wie sehr dieser Sektor im Vergleich zum Gesamtmarkt zurückhinkt, zeigt sich den Angaben zufolge daran, dass der wichtige Branchenvertreter BASF immer noch deutlich unter dem Niveau vom Februar 2022 handelt, während sich der EURO STOXX 50 um 30% über dem damaligen Niveau bewegt.

Chemieunternehmen haben, wie es weiter heißt, von Mitte 2022 bis 2023 eine erhebliche Volumenschwäche im Verhältnis zum Wachstum der globalen Industrieproduktion erlebt. Dies war in erster Linie auf die Umkehrung des Lageraufbaus nach Covid und den anschließenden weiteren Abbau von Lagerbeständen zurückzuführen. In den Jahren 2008/09 gab es eine ähnliche Entkopplung zwischen dem globalen IP- und dem Chemievolumenwachstum, worauf eine deutliche Erholung des Chemievolumens folgte. Dieses Mal sei dies jedoch bisher noch nicht der Fall gewesen.

Fazit: Ein Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine könnte der Startschuss für eine neue Marktphase sein, und vorausschauend agierende Anleger tun gut daran, schon jetzt über die damit verbundenen Folgen an den Börsen nachzudenken.


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